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Transcontainer-Projekt ohne Transparenz
The20. November 2009
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„Transcontainer” - transgene Pflanzen im Container - ist Name und Ziel eines EU-Projektes mit dem die politisch beschlossene Koexistenz von gentechnisch veränderten Pflanzen mit anderen Anbauformen gestützt werden soll. Seit Beginn im Jahre 2006 steht das Projekt in der internationalen Kritik. Die versprochene Transparenz wurde nur in engen Grenzen erfüllt.

Das von der Europäischen Union im Rahmen des sechsten Forschungsrahmenprogramms mit 4,17 Millionen Euro geförderte Transcontainer-Projekt geht in diesen Tagen zu Ende. Es wurde von elf über ganz Europa verteilten staatlichen Forschungsinstitutionen sowie privaten Unternehmen durchgeführt. Forscherinnen und Entwickler, Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen gingen Fragen zu Methoden und Techniken zur Einschränkung und Verhinderung von Auskreuzung gentechnisch veränderter Pflanzen nach. Dabei handelte es sich aber nicht um Fangzäune, Abstandsregeln oder Reinigungsanweisungen für Mähdrescher, sondern um molekularbiologische und gentechnische Tricks, die im Ergebnis Pflanzen liefern sollen, denen die Fähigkeit zur Auskreuzung prinzipiell fehlt. Ob das Transcontainer-Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde, kann an dieser Stelle nur schwerlich beurteilt werden. Neben Interviews und Berichten über Stakeholder-Treffen sind bisher erst zwei wissenschaftliche Aufsätze erschienen. So bietet sich die Gelegenheit, das Projekt weitgehend unbeschwert von wissenschaftlichen Lasten Revue passieren zu lassen. Für die meisten der zivilgesellschaftlichen Gruppen war sowieso ein anderer Aspekt als die wissenschaftlichen Ergebnisse von erhöhter Brisanz. Die molekularbiologischen Methoden, wie sie im Rahmen des Transcontainer-Projektes entwickelt werden sollten, sind seit Jahren immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Biologische Einschlussverfahren, im Experten-Sprech genetic use restriction technologies (GURTs) genannt 1, werden von weiten Teilen der Bevölkerung als - um es etwas altmodisch auszudrücken - „verwerflichste” Form der Agro-Gentechnik wahrgenommen. Diese Techniken verhindern die Nutzung von Ernten als Saatgut, indem sie - zum Beispiel - im reifenden Korn oder im fertigen Samen Prozesse in Gang setzen, die dessen Keimfähigkeit zerstören. Seit dem ersten Bekanntwerden der Forschung an diesen Methoden Ende der 1990er Jahre erregen die auch als Terminator-Pflanzen bekannten Labor-Schöpfungen insbesondere bei Gruppen aus der Entwicklungszusammenarbeit größte Besorgnis.2

Rein ökonomisches Werkzeug?

Es besteht die Befürchtung, dass gerade der Versuch, diese gentechnisch veränderten Pflanzen zur Sicherung der Koexistenz von gentechnisch veränderten mit konventionellen oder ökologischen anzupreisen, den Einsatz von Terminator-Pflanzen hoffähig macht und so der Monopolisisierung von Rechten am Saatgut Vorschub leistet.3 Weltweit würde Bauern die Gelegenheit zum Nachbau von Saatgut, die Nutzung und Vermehrung ihrer Ernten für die Aussaat in den Folgejahren genommen. Dabei zieht sich das Transcontainer-Projekt auf den etwas eigentümlichen Standpunkt zurück, die in ihm entwickelten Pflanzen beziehungsweise die Pflanzen, deren Entwicklung für den Projektzeitraum vorgesehen war, seien rein ökonomische Werkzeuge, um das Nebeneinander der Anbauformen mit und ohne Gentechnik zu ermöglichen. Weder Fragen der biologischen Sicherheit (vereinfacht gesagt die Wirkung gentechnisch veränderter Organismen auf die biologische Vielfalt) noch die Einschränkung des Nachbaus seien Ziele des Projektes. Schwer vorstellbar allerdings bleibt, wie eine derart konstruierte Begrenzung des Projektziels - und insbesondere eine Beschränkung der entwickelten Technologien - umsetzbar sein soll.

Bock zum Gärtner

Zudem wurde der Ansatz kritisiert, dass ausgerechnet die GentechnikerInnen, die das Problem der gentechnisch veränderten Pflanzen - und die damit verbundenen und aktuell mehr und mehr um sich greifenden Kontaminationen eigentlich gentechnikfreier Waren und Bestände - in die Welt gebracht haben, diejenigen sein sollen, die mit ebendieser Technik auch die Lösung anbieten. Hervorgehoben werden muss an dieser Stelle vor allem, dass es um nicht unerhebliche Summen an Forschungsgeldern geht, die somit doppelt und dreifach - erst für die Entwicklung der GVO und jetzt für deren Bändigung - in die mehr oder minder gleichen Taschen geschüttet werden. Das Transcontainer-Projekt steht in einer Reihe mit anderen Versuchen der EU (und darin besonders der Gentechnik-freundlichen EU-Kommission), wissenschaftlich die Basis für die staatlich veordnete Koexistenz - zwischen gentechnisch veränderten und konventionellen wie ökologischen Anbauformen - zu legen. Diese Projekte hießen in der Vergangenheit beispielsweise „Co-Extra” und „SIGMEA”.

Gähnende Leere in der Transparenz

Aus all diesen Gründen signalisierte die Projektkoordination von Transcontainer seit dessen Beginn im Jahr 2006 goodwill. Interessierte wurden zu Gesprächsrunden eingeladen und eine Webseite wurde eingerichtet, von der bunte Powerpoint-Präsentationen mit den so genannten work packages, den Teilprojekten des Projekts heruntergeladen werden konnten und auf der regelmäßig über den Fortschritt des Projektes berichtet werden sollte. Außerdem wurden Fragebogen an Stakeholder, Nichtregierungsorganisationen, MitarbeiterInnen von regulierenden Behörden, IndustrievertreterInnen und WissenschaftlerInnen verschickt und Interviews geführt. So weit, so gut, möchte man meinen. Wer sich jedoch in den letzten Wochen zum Beispiel auf die Webseite verirrte, dem bot sich ein trauriges Bild. In Anbetracht von mehreren Millionen Euro öffentlicher Fördergelder, die in das Transcontainer-Projekt geflossen sind, möchte man sogleich die pfennigfuchsenden Spiesser des Bundes Deutscher Steuerzahler alarmieren. Gähnende Leere - nicht nur in der Rubrik „News & Calendar”. Anfang Oktober fand sich dort nicht einmal die für Mitte des Monats terminierte Abschluss-Konferenz ... Was es gibt, sind ein paar Hintergrund-Papiere und die bereits erwähnten Berichte über Interviews und Stakeholder-Treffen. Aus der ersten Gruppe ist das Papier mit dem Titel „Fact Sheet Apomixis” ein besonders schönes Stück der etwas verloren wirkenden zum Herunterladen angebotenen pdf-Dokumente: Nach drei Jahren Projektlaufzeit finden wir ein Dokument, das auf fünf Seiten erklärt, welche Rolle Apomixis 4 möglicherweise im Rahmen von Trancontainer spielen könnte. Darin fünf Literaturverweise, alle älter als fünf Jahre ... Ein Blick in die Berichte bietet da schon ein etwas detaillierteres Bild. Nichtsdestotrotz bleibt das Gesamtbild oft sehr unscharf, da in der Regel - bei den derzeit fünf Berichten - im Dunkeln bleibt (oder es darf anhand einer Teilnehmerliste spekuliert werden), wer gefragt wurde oder wieviele Interview-PartnerInnen geantwortet haben. Da die Aussagen der interviewten Personen gleichberechtigt nebeneinander stehen, hat man es mit einer unsystematischen und weitgehend zufällig erscheinenden Reihung von Zitaten zu tun.

Gefahr von nachgebautem Saatgut

Aus einzelnen Zitaten lassen sich dennoch interessante Details entnehmen: Einer der Interview-Partner bemerkt zum Beispiel, „dass farm saved seed - auf dem Hof nachgebautes Saatgut - im Falle von Raps ein größer werdendes Problem darstellt, da Landwirte mehr und mehr in der Lage sind, Raps-Saatgut zu sichern.5 Der Anteil von gesichertem Raps-Saatgut wird auf 30 Prozent des Gesamtmarktes geschätzt. Im Falle von Weizen liegen die Schätzungen für das auf den Höfen nachgebaute Saatgut bei 50 Prozent des Gesamtmarktes. Aus diesem Grund ist der Einsatz von biologischen Einschlussverfahren, aus der Perspektive der Saatgut-Industrie, für Hybrid-Raps oder Hybrid-Weizen Züchtung durchaus interessant.”6„Hah!”, denken sich alle VertreterInnen der Zivilgesellschaft: „Haben wir es doch gewusst. Diese ganze Technologie ist nur dazu da, dass sich die Saatgut-Industrie bereichern kann!” Es bleibt allerdings völlig unklar, von wem dieses Zitat stammt und in welchem Kontext es geäußert wurde. Gleiches ist selbstredend auch in umgekehrter Richtung vorstellbar, wenn sich VertreterInnen von Umweltorganisationen - zum Beispiel - mal wieder uneinsichtig gegenüber den Koexistenz-Konzepten von WissenschaftlerInnen zeigen.

Koexistenz: Politisch beschlossen

Insgesamt bleibt im Rückblick ein mehr als schales Gefühl zurück. Das liegt vermutlich nicht zuletzt daran, dass Transcontainer zweifelsfrei dazu angelegt war, Koexistenz von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Anbauformen als mögliches und realistisches Konzept zu unterstützen. Die Projektbeschreibung sagt eigentlich schon alles: „Transcontainer ist ein von der Europäischen Kommission im 6. Forschungsrahmenprogamm gefördertes Projekt mit den folgenden Zielen: Die Koexistenz von gentechnisch veränderten [gv] und nicht gentechnisch veränderten Pflanzen in der europäischen Landwirtschaft durch die Nutzung so genannter biologischer Einschlusverfahren in gv-Pflanzen zu fördern (...) Das Wissen über die und die Akzeptanz der Koestistenz durch gentechnisch veränderte Pflanzen mit diesen biologischen Einschlussverfahren zu verbessern, und zu diesem Zweck einen Dialog zwischen den Beteiligten und der allgemeinen Öffentlichkeit zu etablieren”.7

  • 1. Genetic Use Restriction Technologies: Der so genannte „Clearing-House Mechanismus” (CHM) der Bundesregierung, das zentrale Informations-, Kommunikations- und Kooperationssystem des Internationalen Übereinkommens der Vereinten Nationen über Biologische Vielfalt in Deutschland, schreibt dazu: (...) „gentechnische[n] Methoden, durch die die Verwendbarkeit von Saatgut für eine Wiederaussaat im Folgejahr eingeschränkt wird. Diese so genannten „genetic use restriction technologies“ (GURTs)”(...); im Netz unter: www.biodiv-chm.de/konvention/F1052472515/HTML_Page1053440242.
  • 2. Siehe dazu den Beitrag von Ricarda Steinbrecher in diesem Schwerpunkt.
  • 3. Zu den sozio-ökonomischen Risiken siehe auch den Beitrag von Mar-tha Mertens in diesem Schwerpunkt.
  • 4. Apomixis: [apo..., aus gleichbed. griech. ap- und mixis „Mischung”] die. Bei Pflanzen die Entwicklung des Embryos ohne vorhergehende Befruchtung. Aus: Der Brockhaus - Naturwissenschaft und Technik. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim; Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg, 2003.
  • 5.„Raps-Saatgut zu sichern”: Synonym zu „Nachbau zu betreiben”, das heißt aus der Ernte Saatgut für die Aussaat in den Folgejahren zu bewahren.
  • 6.„Transcontainer - Interviews with Stakeholders”, 6. Juli 2009, Seite 7. Übersetzung vom Autor. Im Original: „One interviewee noted that farm saved seed in the case of oilseed rape had become a growing problem for seed companies, as farmers are becoming more capable to save oilseed rape seeds. The share of farm saved oilseed rape seed was estimated at about 30 % of the total market, while in the case of wheat the share of farm saved seeds is about 50 % of the total market in the EU. Therefore, from a seed industry’s perspective, deployment of biological containment strategies for hybrid oilseed rape breeding or hybrid wheat breeding would be interesting.” Im Netz unter: www.transcontainer.wur.nl/UK.
  • 7.„Transcontainer - Interviews with co-existence policymakers and advisers”. November 2007, Seite 3. Im Netz unter: www.transcontainer. wur.nl/UK. Im Original: „Transcontainer is a European Commission funded research project in the 6th Framework Programme with the following objectives: To promote co-existence of GM and non-GM crops in European agriculture by using biologically containment strategies in GM crops by improving (...) To enhance understanding and acceptance of co-existence through biologically contained GM crops by invoking dialogue with and between stakeholders and the general public.”
AutorInnenInfo

Christof Potthof ist Biologe, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerkes und Redakteur beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).

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